Eine besonders aggressive Form des Equinen Herpesvirus EHV-1 versetzt die Reiterwelt in Angst und Schrecken. Bei einem Turnier im spanischen Valencia steckten sich zahlreiche Pferde an, einige kamen gar zu Tode. Auch Pferde aus Deutschland sind betroffen.

Experten befürchten nun eine Herpes-Epidemie unter Pferden in Europa, nachdem die Variante des Virus auch in anderen Ländern aufgetreten ist.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Equine Herpesvirus grassiert – immer wieder machen Schreckensmeldungen aus betroffenen Ställen die Runde. Doch wie gefährlich ist das Virus wirklich? Schützt eine Impfung und was kann man tun, gegen Herpes beim Pferd?


In Valencia, auf dem spanischen Reitturnier CES Valencia ist Ende Feburar 2021 eine besonders tödliche Variante der ohnehin gefährlichen Erkrankung Equines Herpesvirus ausgebrochen. Mit dramatischen Folgen: Fast 100 Pferde zeigten Symptome, mehrere Tiere starben. Der Ausbruch sei "wahrscheinlich der schlimmste in Europa seit vielen Jahrzehnten", sagte FEI-Generalsekretärin Sabrina Ibanez.

Nachdem auch außerhalb Spaniens erste Fälle der besonders aggressiven Variante des Equinen Herpesvirus aufgetreten sind, grassiert unter Pferdehaltern die Angst.

Wie ein Virus unser Leben beeinträchtigen oder gar gefährden kann, haben wir alle durch Corona schmerzlich erfahren. Dass nun auch die geliebten Vierbeiner von einer besonders gefährlichen Virenerkrankung bedroht sind, erschüttert die Reiterwelt bis ins Mark.

Und alle fragen sich: „Wie kann ich mein Pferd vor einer Herpes-Infektion schützen“?

 


Hoch infektiös: Das Herpesvirus beim Pferd

Nach Bekanntwerden der Infektion in Valencia wurde das Turnier sofort abgebrochen, die FEI untersagte fast alle internationalen Turniere bis Ende März 2021. Auch die Reiterliche Vereinigung schloss sich an und setzte bundesweit alle Pferde- und Zuchtveranstaltungen aus. Der Grund: Das Equine Herpesvirus gilt als hochinfektiös. Eine Ansteckung erfolgt durch den direkten Kontakt der Pferde untereinander (Tröpfcheninfektion), es kann aber auch über Gegenstände wie Putzzeug, Mistgabeln, Wassereimer, die Kleidung des Menschen oder Hände übertragen werden. Betroffene Tiere oder Bestände sollten daher möglichst schnell isoliert und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, um die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen.

Im Fall von Valencia kamen diese schützenden Maßnahmen leider zu spät – die Katastrophe nahm ihren Lauf und einigen Pferden das Leben.

Hand von Mensch an Kopf von Pferd
Bei manchen Pferden ist der Verlauf von Herpes fatal.

 


Pferdeherpes – Fast alle Pferde sind betroffen

Dabei verläuft die Krankheit nicht immer tödlich oder schwer – im Gegenteil. In vielen Fällen verläuft sie völlig symptomlos. Experten schätzen jedoch, dass bis zu 80% der Pferde Virenträger sind. Ist ein Pferd einmal an Herpes erkrankt, verschwindet das Virus nämlich nicht mehr aus seinem Körper – es schlummert in den Nervenzellen, in den Lymphozyten oder den Schleimhäuten des Atemtrakts und ist dort für das Immunsystem unerreichbar. Über die Körperausscheidungen kann das betroffene Pferd andere Tiere des Bestandes anstecken.

Zum Ausbruch der Krankheit kommt es besonders in Stresssituationen. Bei einem Turnier, nach einem Transport, in der Klinik oder bei anderem psychischem Stress, zum Beispiel bei Rivalitäten in der Herde, bei kranken oder alten Pferden, einem Stallwechsel oder Verlust eines Stallkumpels, ist der Organismus des Pferdes anfälliger – die Viren werden aktiviert und freigesetzt.

Die Inkubationszeit bei Pferdeherpes beträgt zwei bis fünf, manchmal auch bis zu zehn Tage. In der nasskalten Jahreszeit sind die Bedingungen für das Virus am günstigsten. Deswegen treten Ausbrüche häufig zwischen Winter und Frühjahr auf. Die EHV-Infektion beginnt meist mit Fieber, je nach Verlauf und Virenstamm treten dann weitere Symptome auf. In den meisten Fällen verschwinden die Symptome (sofern nach einer Infektion überhaupt welche aufgetreten sind) nach etwa zwei bis sechs Wochen.


Equines Herpesvirus – Diese Arten und Symptome gibt es

Virenstamm    

Symptome

Equines Herpesvirus 1 (EHV-1)

·       Entzündung der Atemwege (Rhinopneumonitis)

·       Fressunlust

·       Fieber

·       Husten, Nasenausfluss

·       Bewegungsstörungen

·       Lähmungen der Hintergliedmaßen

·       Gleichgewichtsverlust

·       Virusabort der Stuten

Equines Herpesvirus 2 (EHV-2)

·       Augenentzündung

·       Atemwegsinfektionen

Equines Herpesvirus 3 (EHV-3)

·       Ausschlag/Bläschen an den Geschlechtsorganen

Equines Herpesvirus 4 (EHV-4)

·       Wie EHV-1

Equines Herpesvirus 5 (EHV-5)

·       Atemwegsprobleme

·       Gewichtsverlust

·       Erhöhte Herzfrequenz

·       Augenentzündung


Schützt die Impfung bei Herpes beim Pferd?

 Die Virenstämme EHV-1 und EHV-4 gelten als die am häufigsten auftretende Varianten des Equinen Herpesvirus. Auch für die Katastrophe in Valencia war EHV-1 verantwortlich.

Leider schützt eine Impfung nicht in jedem Fall vor einer Infektion, aber meist vor sehr schweren Verläufen der Krankheit. In Beständen, mit über 80% geimpfter Pferde stehen die Chancen gut, dass es zu keinem Ausbruch der Krankheit kommt. Auch die Stute 3Q Qadira der jungen Reiterin Tessa Leni Thilmann war gegen das Equine Herpesvirus geimpft. Dennoch überlebte sie die Krankheit nicht.

Dass ein Pferd trotz der Impfung gegen Pferdeherpes daran verstirbt, liegt an sogenannten „Impfdurchbrüchen“, geschehen auch in Valencia. Zirkulieren zu viele Herpesviren, ist der Infektionsdruck bei Pferden zu hoch. Erkrankte Pferde scheiden so viele Viren aus, dass der Schutz der Pferde, welche diesen Viren ausgesetzt sind, selbst bei geimpften Pferden, nicht mehr ausreicht.

Da erkrankte, aber geimpfte Pferde Veterinärmedizinern zufolge jedoch weniger Herpesviren ausscheiden, wird zum Schutz vor der Ausbreitung von Herpes empfohlen, möglichst ganze Bestände zu impfen. Denn: Je weniger Herpesviren in der Umgebung im Umlauf sind, desto geringer ist die Gefahr einer akuten Erkrankung der Pferde.

Jenseits der Impfung stehen Pferdehalter der Infektion fast machtlos gegenüber, denn: ein Gegenmittel gibt es nicht. Erkrankt ein Pferd an Herpes, kann der Tierarzt lediglich die Symptome behandeln.

Dennoch gibt es einige Schutzmaßnahmen, die getroffen werden sollten, damit das Virus innerhalb des Stalls in Schach gehalten wird und sich nicht auf den ganzen Bestand ausweitet. Im Fall von Valencia werfen Kritiker den Veranstaltern vor, nicht schnell genug gehandelt zu haben und dadurch die dramatische Ausbreitung möglicherweise verhindert hätte werden können.

Pferd wird geimpft
Eine Impfung gegen Herpes wird von vielen Tierärzten empfohlen.


Herpes im Stall – Was tun im Fall der Fälle?

Ist ein Pferd im Stall an Herpes erkrankt und die Diagnose durch den Tierarzt bestätigt, sollten schnelle Maßnahmen zum Schutz der anderen Pferde getroffen werden. Ähnlich wie beim Coronavirus, lautet hier die Devise: Lockdown, bis das Gröbste überstanden ist. Das bedeutet: Keine Pferde sollten den Betrieb verlassen oder fremde Pferde das Gelände betreten, auch Zweibeiner sollten Vorsicht walten lassen, um das Virus nicht in andere Ställe und Stalltrakte zu tragen.

Zwei Mal pro Tag sollte bei allen Pferden des Stalls Fieber gemessen werden, um mögliche weitere Patienten ausfindig zu machen und rechtzeitig zu isolieren.

Außerdem raten Tierärzte zu folgenden Schutzmaßnahmen zur Vorbeugung der Ausbreitung:

Herpesinfektion im Stall – So behältst Du die Kontrolle

  • Betroffenes Pferd isolieren: Kein direkter Kontakt zu anderen Pferden
  • Quarantäne für gesamten Stall
  • Desinfektion von Gebrauchsgegenständen, Kleidung und Händen
  • Desinfektionsmatten für Schuhe auslegen
  • Händewaschen nach jedem Pferdekontakt
  • Handschuhe nach jedem Pferdekontakt wechseln
  • Stress vermeiden
  • Schutzkleidung bei Hufschmieden, Tierärzten u.a. Dienstleistern
  • Grunddesinfektion des Stalls nach Abklingen der Symptome
  • Immunsystem stärken


Vorbeugung: Immunsystem stärken gegen Pferdeherpes

Die Herpesviren selbst können leider nicht bekämpft werden. Eine akute Infektion wird meist mit Entzündungshemmern und Antibiotika behandelt. Zudem wird Blutverdünner beim Behandeln von Sekundärinfektionen verwendet, der jedoch nicht gegen die Viren selbst hilft. Ein starkes Immunsystem kann allerdings dazu beitragen, dass dem Virus nicht der rote Teppich ausgerollt wird.

Eine artgerechte Fütterung und optimale Haltungsbedingungen – Kontakt zu Artgenossen, stabile Herden, frische Luft und reichlich Bewegung – sind wichtige Punkte, um das Immunsystem Deines Pferdes stark gegen Krankheitserreger zu machen. Auch die Gabe von Vitamin E wird bei der Herpesinfektion von einigen Tierärzten empfohlen, ziehe hierfür den behandelnden Veterinär zurate. Wichtig auch: Stress vermeiden! Häufige Stallwechsel, Ärger im Herdenverband, zu hoher Leistungsdruck oder Schmerzen wirken sich negativ auf die Psyche unserer Vierbeiner aus und können Erkrankungen damit Tür und Tor öffnen. Beobachte Dein Pferd daher genau, um im Zweifelsfall mögliche Stressoren auszuschalten und Deinen Vierbeiner so stark zu machen, gegen Invasoren wie Herpes & Co.


Heilungschancen bei einer Infektion mit Herpes

Während einige Verläufe fast symptomlos erfolgen und schnell ausheilen, kann eine Infektion mit dem Equinen Herpesvirus, wie im Fall von Q3 Qadira und den anderen betroffenen Tieren, tödlich enden. „Die Heilungschancen kann man nicht vorhersehen. Auch, wenn es ein ganz anderes Virus ist, kann man das etwas mit Covid-19 vergleichen. Denn auch bei EHV-1 können Pferde mit höchst gravierenden Erkrankungen wieder ganz gesund werden, auch wenn die Wahrscheinlichkeit nicht hoch ist. Und genauso kann es bei einem eigentlich milden Verlauf später doch noch zu dauerhaften Funktionsbeeinträchtigungen kommen“, so der Mannschaftstierarzt der deutschen Springreiter, Dr. Jan-Hein Swagemakers in einem Interview mit dem Spiegel.

„Qaddi“ hatte kein Glück. Gegen das Virus hatte sie keine Chance, obwohl ihre junge Reiterin und deren Team alles in Bewegung setzten, um der Stute zu helfen.

„Mach’s gut mein ONCE IN A LIFETIME HORSE“ schrieb Tessa Leni Thilmann auf Instagram. Und veröffentlichte dazu bewegende Momente mit ihrer Stute, die ihr wohl immer in Erinnerung bleiben wird.


Fazit

Immer wieder erschüttern Herpesvirus-Ausbrüche die Pferdewelt. Ist das Virus erstmal ausgebrochen, wie im Fall von Valencia, ist nur noch die Bekämpfung der Symptome möglich – gegen das Equine Herpesvirus selbst gibt es kein Mittel. 90% der Pferdepopulation tragen das Virus in sich. Durch erhöhten Stress kann die Krankheit ausbrechen. Im Fall der Fälle sind Desinfektion und Isolation wichtig, um die weitere Ausbreitung des Herpesvirus zu verhindern. Auch geimpfte Pferde können an Herpes erkranken. Um dem Virus etwas entgegensetzen zu können, benötigt das Pferd ein starkes Immunsystem. Artgerechte Fütterung und Haltung sind daher auch in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten ein wichtiger Faktor. Impfungen schützen zwar nicht gänzlich vor einer Infektion, können aber dazu beitragen, den Infektionsdruck zu senken und damit eine Ausbreitung zu verhindern. Je weniger Viren kursieren, desto geringer ist die Gefahr eines Ausbruchs der Krankheit